01.12.2009

Zu Gast... im La Forge im Schmiedegasthaus Gehrke


Seit 1988 bekommt Ernst-August Gehrke jedes Jahr einen Stern im Guide Michelin. Das Niveau seit mehr als zwei Jahrzehnten so hoch gehalten zu haben - das macht ihn in ganz Europa zu einem sehr raren Exemplar seiner Gattung. Wir haben ihn in seinem La Forge in Riepen besucht.

Es begann mit der Bombe. Wäre sie nie vom Himmel gefallen, dann könnte die Region Hannover heute nicht behaupten: “Wir sind Sternekoch”. Aber davon später mehr... Der Stern im Guide Michelin ist die höchste Auszeichnung, die es für einen Koch gibt. La Forge (Die Schmiede) ist heutzutage das einzige Restaurant “mit Stern” in der Region. 1988 hat Ernst-August Gehrke diesen Stern zum ersten Mal bekommen. Nur zwei Jahre nachdem er und sein Bruder Andreas ihren verrückten Plan gefaßt hatten, mit einem kleinen Luxuslokal dem elterlichen Gaststätten- und Hotelbetrieb die Krone aufzusetzen. Der umfaßte zu der Zeit ein bürgerliches Speiselokal, eine urige Dorfkneipe, Kegelbahn, Festsaal, Biergarten, ein kleines Hotel... So weitläufig war das Schmiedegasthaus Gehrke freilich nicht immer gewesen. Jahrhundertelang hatte neben Esse und Rauchfang zwar auch eine Schänke zu der Dorfschmiede gehört, aber die blieb klein und überschaubar - heute würde man vielleicht sagen: ein “Drive-In”, in dem Bauern, Fuhrwerker und Reitersleut’ auf ihre Metallarbeiten warteten - während nebenan der Vorschlaghammer sauste...

Es war es wie ein Wink des Schicksals, als an einem sonnigen Sommertag im Jahr 1941 die Fügel eines Royal Air Force Bombers ihre Schatten warfen. “Notabwurf!”, nannte man so etwas damals. Die Bombe zerstörte Gehrkes Schmiede und ihre Nachbargebäude völlig. Und so sollte mit Hilfe der zupackenden Dorfgemeinschaft an anderer Stelle ein neues, viel größeres und schöneres Schmiedegasthaus entstehen, eines, das dann in den 1970er Jahren längst zu groß geworden war für Vater Gehrke in seiner Lederschürze hinter dem Tresen und Mutter Gehrke allein in der Küche...

Ernst-August wollte technischer Zeichner werden, und wenn man ihm zuhört, erfährt man, daß gar nicht so ein großer Gegensatz herrscht zwischen seinem Traum und dem Beruf, den er schließlich der Mutter zur Liebe erlernte, um im elterlichen Betrieb zu helfen: “Kreativität erfordert eine klare Sprache!”, erklärt er und “baut” für unser Foto seine neueste Kreation auf dem weißen Teller. Er machte die Ausbildung zum Koch in Bad Nenndorf; Lehr- und Wanderjahre eines künftigen Großmeisters seiner Zunft sehen anders aus. Auf dem Weg zu den Sternen brauchte es deshalb noch eine zweite, eine “Initial”-Zündung... Bruder Andreas, ein genußfrohes Energiebündel, erlernte unterdessen den Beruf des Kellners in der “Gastwirtschaft Wichmann” in Hannover, und dort ersuchte er um ein dreimonatiges Praktikum für Ernst-August, damit dieser auch mal sähe, wie und was noch so geht, wenn ein Großer am Herd steht... Mit Erfolg: an der Seite von Chefkoch Gerd Weick geht Ernst-August ein Licht auf! Künftig folgt er seinem Andreas auf dessen Berufspfaden stets als Restaurantgast nach: “Traube Tonbach”, “Schweizer Stuben”..., er tafelt in den größten Häusern, übernachtet in billigen Pensionen nebenan und zeichnet (!) nachts nach, was man ihm serviert hat.

Ein neugieriger Autoditakt, der heute selbst zu den einflußreichsten Köchen seiner Generation zählt. Mit ihrem “Wilhelm Busch Menü” waren Ernst-August und Andreas Gehrke die ersten, die ganz tief in alte regionale Rezepetbücher schauten und modern interpretierten. Das bodenständige Duo begreift sich durchaus auch als Avantgarde. Oder die Kakaobohne zum Beispiel, heute ein Modetrend - bei Gehrkes seit jeher als raffiniertes “Schokoladendesert Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe” auf der Karte. Und warum? “Die erste Schokoladenfabrik Deutschlands stand in Steinhude”, lächelt Andreas, “das weiß heute doch keiner mehr!” Deshalb ist es gut, daß es hier mal gesagt wurde.




La Forge im Schmiedegasthaus Gehrke
Bad Nenndorf OT Riepen | Riepener Str. 21 | Tel. 05725-94410

Der Text erschien zuerst in Hannover Geht Aus Herbst/Winter 2009/2010

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