23.05.2011

Reif für Die Insel


Norbert Schu, der jugendlich wirkende Altmeister und Alleskönner der hannöverschen Gourmandise, bittet uns zum Tischgespräch. Zu Spaghetti mit Kalbs-Bolognese und Sommer-Trüffeln. Wir sind ganz Ohr...

Kalbs-Bolognese mit Sommertrüffeln
“Schu, Du Arschloch!” Der Tag, an dem Norbert Schu lernen soll, was den Unterschied ausmacht zwischen guter und hervorragender Gastronomie, endet mit einer klaren Ansage. Und er entgegnet pflichtschuldig: “Oui, Monsieur le chef!” Damals dient Schu im Rang eines “Demi-Chef Garde Manger” in der legendärsten Brigade Deutschlands - im Münchner Restaurant Aubergine von Eckart Witzigmann. Ihm obliegt die Herstellung der Amuses Geueles. Für “quattre couverts” hat der Meister abgerufen. Vier Wachtelspiegeleier (wir scheiben die Achtziger!) richtet Schu an. Aber: “für vier Gäste macht man sechs Wachteleier, für den Fall, daß mal eines kaputt geht!”, belehrt ihn Witzigmann scharf. Noch heute gerät Schu ins Schwärmen: “Das war die Suche nach absoluter Perfektion, großartig!.” Witzigmanns Streben wird später belohnt mit dem Titel “Koch des Jahrunderts” vom französischen (sic!) Freßführer Gault Millau; und bestraft mit einer vorübergehenden Kokainabhängigkeit.

Einmal zum Küchenchef geworden im “Schu’s Restaurant” im hannoverschen Hotel Schweizerhof zählt der talentierte Winzersohn von der Mosel bald selbst zur ausgezeichneten Elite der deutschen Spitzenköche. Michelin-Stern, Gault Millau-Kochmützen, Feinschmecker-Fs. Er hat es alles. Und ist dennoch irgendwann reif für “Die Insel”. 1994 übernimmt er das spektakulärste, wenn auch zu diesem Zeitpunkt leicht abgewirtschaftete Gastronomieobjekt der Stadt: die geschichtsträchtigen Restaurantbetriebe im Maschseebad. Den “Stern” gibt er zurück. Fortan soll keine Schwellenangst mehr potentielle Gäste vom Besuch abhalten.

Die Lage hoch über dem idyllischen Südufer ist ein Traum
In der Tat sieht das Gasthaus, weitgehend unverändert seit Eröffnung des Maschsees am Himmelfahrtstag 1936, von außen nicht nach “Gourmettempel” aus. Und so “kommt hin und wieder sogar einer der vielen Jogger herein, im Jogginganzug, und will pinkeln”, verkündet der Hausherr stolz, “natürlich lassen wir ihn.” Hätten sie Augen für die Batterien ausgesoffener, höchst rarer Bordeaux-Flaschen über der Bar, würde den Dauerläufern die Leichtfüßigkeit beim Austreten womöglich schwinden. Denn offensichtlich befinden sie sich - Stern hin, Stern her - in Hannovers luxuriösestem Feinschmeckertreff. 1850 Positionen umfaßt die Weinkarte, sie ist europaweit schon längst Legende. Schu weiß: er kann immer aus dem Vollen schöpfen, seine Gäste werden es honorieren. “2010 war das beste Jahr unseres Bestehens!”

Man befindet sich in Hannovers luxuriösestem Feinschmeckertreff
Nur vom Feinsten - das gilt im Restaurant “Die Insel” nicht nur für Trank’, sondern auch für Speis’. Vor die Wahl gestellt, vakuumierte Neuseelandware oder aber das glückliche Salzwiesenlamm vom ostfriesischen Deich zu kaufen, entscheiden sich Schu und sein Küchenchef (und Teilhaber) Benjamin Meusel für die kostspieligere Variante. Geschlachtet wird die übrigens auf dem hannoverschen Schlachthof von einem gewissen Siegfried Meyer, genannt Lämmer-Meyer. “Der arbeitet seit seinem 14. Lebensjahr, hat mittlerweile Gicht in allen Knochen und kann im Ton auch schon mal etwas rauer sein”, schwärmt Schu, der ein Faible für knorrige Orginale hat, sofern sie ihn mit bester Ware versorgen. “Der Herr Müller von Käse-Schaub ist einer der letzten Affineure, da kann ich nicht verstehen, daß manche ihren Käse im Kaufhaus holen”, schüttelt Schu den Kopf; er kauft ausschließlich beim Nachbarn auf der Hildesheimer Straße.

Und noch ein Tip für einen Lokaltermin: “Der größte Wildvermarkter Deutschlands sitzt in Springe, der hat neulich in einer Nacht eine Strecke von 250 Rehen gemacht!”. Das ein oder andere davon landete in der Küche von Benjamin Meusel. “Top-Produkte werden heute, wie Spitzenweine, zugeteilt”, verrät uns Meusel, “wir kaufen viel und regelmäßig und bekommen deshalb auch immer das, was wir wollen.” Und warum ein mit der Leine gefangener 15-Kilo-Steinbutt von der französischen Küste etwas mehr kostet als Zuchtware aus dem Becken, das erklärt man dem Gast gerne in Ruhe, falls er es nicht ohnehin schon weiß - oder beim ersten Bissen bereits verstanden hat. Lecker!

Die Insel ist ein Plätzchen, um es sich gut gehen zu lassen. Die Lage hoch über dem idyllischen Südufer, die kreuzfahrtschiffartige Architektur des Speisesaals und der Terrasse sind im Sommer ein Traum - all das wird demnächst sogar noch einmal optimiert, verschönert, erweitert. Wir sind die ersten Pressevertreter, die die Pläne bestaunen dürfen. Und sind beeIndruckt.  “Heute verstehen die meisten unter Gastronomie: ein Wohnzimmer mit vier Tischen und zwei Menüs”, sagt Norbert Schu, “meine Auffassung ist das nicht.” Welcher Genießer würde ihm da nicht zustimmen: Oui, Monsieur le chef.

Benjamin Meusel & Norbert Schu
Dieser Artikel erschien zuerst in leicht verkürzter Version in unserer Kolume "Spitzenküche im Gastroführer "Hannover Geht Aus" - ab Mai 2011 am Kiosk.

1 Kommentar:

  1. Das schaut nach einem leckeren Essen aus.
    Die Insel gehört sowieso zu den besten Küchen Hannovers. Die Bilder auf dem Blog verleihen mich sehr dazu, die Restaurants wieder mal zu besuchen. Weiter so!

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